Ich hatte immer Sehnsucht nach den alten Zeiten. Ich habe großen Respekt vor alten Meistern, Denkern und Philosophen, die in Ihrer Welt, in der es mühsam war, sich Wissen anzueignen oder zu forschen, in der es nicht einfach war Informationen aus der ganzen Welt zu bekommen, in der man das meiste mit der Hand und mit körperlicher Anstrengung erstellen musste und sich alles merken oder mit der Hand aufschreiben, was man erfahren, erlernt oder erkannt hat. Wissen war angesehen und erstrebenswert.
Es gab Stil, Eleganz und Wert, es gab noch Besonderes, das nicht einfach zu haben oder zu erreichen war und das man sich als Ziel erwählen konnte, auf das man hinarbeitete. Und dieses Besondere war nicht abgehoben, sondern man war noch fähig, es zu erkennen und zu wertschätzen, auch wenn es naheliegend und natürlich war. Es gab mehr Zeit und alles war langsamer und weniger. Der menschlichen Natur näher.
'Früher war alles besser', habe ich oft gedacht und dann wird einem gesagt, dass das schon immer so war und das die älteren Generationen sagen, weil sie Angst vor dem 'Neuen' haben.
Wenn das Neue heißt, dass es den Menschen und seine Umwelt zerstört, darf man dann nicht merken, dass das der falsche Weg ist?
Das klingt wie wenn Jugendliche nicht auf Ihre Eltern hören wollen, weil die eh nix verstehen und nur verbieten.
Aber diesmal ist es wirklich so: 'Früher war alles besser!' Ich meine damit nicht das Mittelalter, sagen wir in kriegfreien Zeiten seit Ende des 19. Jahrhunderts.
Früher hatten wir Wünsche und Träume und durften sie haben. Da waren unsere Visionen aber noch in einem nicht abgehobenem Rahmen, verbunden mit den natürlichen Möglichkeiten eines Menschen, der noch mit der Natur verbunden ist.
Heute weiß man nicht, wie es weitergehen wird, was es noch geben wird. Wir müssen verzichten, damit es überhaupt weiter geht, auf Luxus, Bequemlichkeit, riesen Auswahl, Beweglichkeit, grenzenlose Freiheit und das ist gut so, da alles total aus dem Ruder gelaufen ist. Die Gesellschaft folgt blind dem Weg, den die Wirtschaft vorgibt, ohne zu hinterfragen mit dem Leitbild: 'Das muss so sein, das geht nicht anders und ist am besten so!'
Auch mit der Überzeugung, dass es nicht weitergehen darf wie gehabt, dass eine Kertwende unumgänglich ist, bleibt trotzdem ein ungewohntes und unsicheres Gefühl.
Früher hat man versucht sich Wissen anzueignen, körperliche Leistungen zu vollbringen, Schwierigkeiten auf sich zu nehmen und durchzustehen, miteinander persönlich zu sprechen und einfach mit anderen zusammen zu sein, sich zu helfen, eine Verbindung zur Natur und zu seiner Umwelt zu haben.
Heute haben die Menschen die Verbindung zu allem Verloren, zueinander, zur Natur, zu Ihrer Umwelt, zu Ihrem Körper, zu Ihren Gefühlen und zu sogar zu sich selbst. Alles ist losgelöst und folgt nur noch Trends und Einflüssen unsichtbarer Fortschrittmacher, die immer neue Technologien und Produkte hervorbringen, die unser Leben bestimmen, ob das nun gut ist für uns oder nicht.
Wenn man jedoch jetzt etwas aus alten Zeiten sieht, wie z.B. einen Oldtimer, dann steht der für die gute alte Zeit, hat Stil und Eleganz und weckt das Gefühl von damals von naiver Freiheit, Vertrauen und Sicherheit.
Ein altes Gebäude ist von Hand gebaut und aufwendig verziert und weckt unsere Bewunderung, weil schön ist und für Mühe und Handwerkskunst steht.
Schallplatten kann man in die Hand nehmen, muss sie auflegen, muss von Hand den Plattenspielerarm betätigen und eine Seite der Schallplatte läuft max. 30 min, dann muss man sie umdrehen, bewusst und mit eigener körperlicher Betätigung. Das läuft nicht einfach nebenher beim Gehen, hier muss man sich Zeit für die Musik nehmen.
Mit einer alten Kaffeemühle mahlt man Kaffeebohnen mit der Hand, für Filterkaffee muss man Wasser kochen, eine Kanne mit dem Filter aufstellen und mit dem heißen Wasser übergießen oder man nimmt eine Espressokanne für die Herdplatte, füllt diese mit Wasser und Kaffee und lässt den Espresso dampfen. Dann riecht es in der ganzen Küche nach frischem Kaffee, den man selbst frisch gemacht hat. Das ist echter Kaffeegenuss und vermittelt auch ein Lebensgefühl aus einer heilen Welt.
Wir können die Welt wieder heilmachen, in dem wir zurückkehren zu diesen Ritualen und Vorlieben und Zeit investieren auch in die alltäglichen Dinge des Lebens, damit diese wieder wertvoller werden.
Während des Lockdown hatten wir plötzlich Zeit. Zeit sich mit der Familie zu beschäftigen, Zeit im Garten, Zeit für Bücher und Gesellschaftsspiele, normale, einfache Dinge. Wir haben gespürt, worauf es ankommt.
Alt ist das neue 'Neu' - Wertvoller denn je
und
Weniger ist mehr.
Corona wird solange weitergehen, bis wir das alle begriffen haben.
Eure Creativquelle